EW1192 ist kein Nahrungsergänzungsmittel
Seit dem 28. September 2023 ist im Deutschen Stuhlbaumuseum in Rabenau eine neue Sonderschau zu sehen, die sicher viele Tischer begeistern wird.
Nur die Älteren wissen noch, dass Stühle, Sessel und Sofas, die mit EWXXX bezeichnet wurden, ihren Ursprung in der Entwicklungsstelle für Sitzmöbel im Waldheim hatten. Der EW1192 ist ein Stuhl, den Horst Heider, damals Leiter der Entwicklungsstelle Waldheim, entworfen hat und der in Millionen Exemplaren in der DDR produziert wurde.
Anlass für dies Ausstellung war ein Flohmarktbesuch von Jacob Strobel, Professor für Holzgestaltung an der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg, bei dem er diesen Stuhl erblickte und sofort begeistert von ihm war. Zum einen saß man bequem darauf, was ja die Hauptsache bei einem Stuhl ist, und zum anderen war die Konstruktion einfach und überzeugend. Also forschte er nach der Herkunft dieses Stuhls und ermittelte, dass dieser unter der Bezeichnung EW1192 in Waldheim entwickelt wurde. Genaueres konnte er nicht herausfinden, deshalb fragte er im Stuhlbaumuseum in Rabenau an, was die Kollegen dort zu dem Stuhl wissen und ob sie sich eine Ausstellung zu dem Stuhl vorstellen können. Zur Entwicklungsstelle Waldheim verfügte das Museum über einige Unterlagen, aber zu dem Stuhl EW1192 war nichts bekannt.
In einer aufwendigen Recherche konnten die Mitarbeiter des Stuhlbaumuseums ermitteln, dass der EW1192 in der DDR in den Stuhlfabriken in Ellrich, Oederan, Benneckenstein und Waren/Müritz produziert worden war. Genaue Zahlen, wieviel Stühle hergestellt wurden, waren nicht feststellbar. Aus einer Unterlage zum Plan 1986 der Stuhlfabrik Ellrich geht hervor, dass in diesem Jahr 109.000 Stühle des EW1192 in den Varianten FB (Folie beschichtet), P (gepolstert, natur) und P (gepolstert lackiert) produziert werden sollten. Man kann also mit gutem Recht annehmen, dass in der Zeit von 1964 bis 1989 von diesem Stuhl mehrere Millionen Stück hergestellt wurden. Diese Stühle blieben nicht nur in der DDR, sondern ein Teil ging als Export vornehmlich in die Sowjetunion.
In der Ausstellung werden die Geschichten heutiger Besitzer des EW1192 erzählt.Da einige der Besitzer ihren Stuhl den Ausstellungsmachern leihweise überlassen haben, können die Besucher im Museum die verschiedenen Varianten des EW1192 und seiner Weiterentwicklungen betrachten und ein paar selbst ausprobieren. Auch zu den Herstellerfirmen der Stühle und zur Stuhlproduktion in der DDR erfährt der Besucher etwas.
Bedauerlich ist, dass von den genannten Firmen nur noch die Stuhlfabrik Benneckenstein existiert, die heute vornehmlich Möbel für Kindereinrichtungen produziert. Alle anderen Firmen sind nach der Wende früher oder später in Konkurs gegangen.
Um so erfreulicher ist es, dass die Stuhlbaufirma Göhler in Mulda/Sachsen gewonnen werden konnte, zwei Exemplare des von Strobel neu gestalteten EW1192 zu produzieren, ein Exemplar in Buche und eins in Eiche geölt. Frank Göhler ist von „Horst“, dem Redesign des EW1192, begeistert und gespannt, ob es dieser Stuhl in die Produktion schafft. Die Ausstellungsmacher wünschen sich, dass sich weitere Besitzer eines oder mehrerer EW1192 melden und mit ihren Stuhlgeschichten zur Ergänzung der Ausstellung beitragen.
Die Ausstellung wurde durch das Outreach-Programm und Mitarbeiter der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ermöglicht. Sie ist noch bis 03. März 2024 in Rabenau zu sehen.
Weitere Informationen: www.deutsches-stuhlbaumuseum.de